Anadolu Rock aus Amsterdam

Altın Gün – Yolcu

Die niederländische Band Altın Gün interpretiert türkische Volkslieder in einem modernen, sehr tanzbaren Psych-Rock. Der erste Titel des aktuellen Albums nimmt uns mit als Passagier auf eine Reise durch das Leben.

Altın Gün Pressefoto
Altın Gün, Pressefoto: Sanja Marusic

Band. Altın Gün (dt.: Goldener Tag) klingen gänzlich türkisch, aber nur eines der sechs Mitglieder der niederländischen Band wurde tatsächlich dort geboren. Es ist Jasper Verhulsts Besessenheit für türkische Musik sowie einer Reise nach Istanbul zu verdanken, dass sich die Gruppe gründete. Dazu meint der Bandgründer und Bassist: Traditionelle, türkischsprachige Musik ist in den Niederlanden nicht weit verbreitet. Die Lieder haben eine lange Tradition. Dies ist Musik, die versucht, eine Stimme für viele andere Menschen zu sein. Die Band hat eine Schwäche für die Musik der späten 60er und 70er Jahre mit all den Instrumenten und Effekten, die damals aufkamen. Altın Gün stellen eine ganze Tradition radikal neu vor.

Album. Ein Jahr nach dem Debütalbum folgte dieses Frühjahr „Gece“ (dt.: Nacht). Das zweite Album elektrisiert mit zeitgenössischem, tanzbarem türkischen Folkrock – auch Anadolu Rock. Hier bringen sie traditionelle Musik aus verschiedenen anatolischen Quellen mit der strotzenden Kraft einer Rockband zusammen. Gefüllt mit funkigen Grooves und explosiven psychedelischen Texturen spielen Altın Gün – nach eigener Einschätzung – Volksmusik. Damit etabliert sich die Band fest in der globalen Psych-Rock-Szene. Unseren Plattentipp zum Album „Gece“ könnt ihr hier hören:

Titel. „Yolcu“ (dt.: Passagier) stammt ursprünglich von von Neşet Ertaş, dem Vergleiche wie der mittelanatolische Leonard Cohen nachrufen [Link zur Originalversion]. Der türkische Rockmusiker Tufan Kıraç interpretierte diesen bereits im Jahr 2009 [Link zur Interpretation]. Altın Gün geben dem Titel einen zeitgenössischen, fesselnden Sound mit der berauschenden Intensität des 21. Jahrhunderts.

Die hypnotisierender Stimmkraft von Sänger Erdinc Ecevit folgt der von ihm elektrisch gespielten Saz, einer dreisaitige türkische Langhalslaute. Zusammen mit der Gitarre spielt diese das Thema des Titels und ermöglicht mikrotonalen Intervalle, d.h. kleinere Tonabstände als die 12 Töne pro Oktave, die unsere, mit modern-westlicher Musik geprägten Ohren gewöhnt sind. Das mag für einige verstimmt klingen, muss aber tatsächlich so. Islamischer Mystik motiviert im auszugsweisen Liedtext des Originals unser Leben als eine Reise, in der wir alle Passagiere sind.

Bir anadan dünyaya gelen yolcu
Görünce dünyaya gönül verdin mi
Kimi böyük kim böcek kimi kul
marak edip heçbirini sordun mu
Bunlar neden nedenini sordun mu

Sinngemäß nach bestmöglicher Zusammenführung verschiedener Übersetzungsquellen:

Der Passagier/Reisende, der von einer Mutter zur Welt kommt
Hast du die Welt gesehen?
Manche sind groß, manche sind Insekten, manche sind Diener/Sklaven
Hast Du einen von ihnen gefragt?
Hast du gefragt, warum das so ist?

Rostock & LOHRO. Mit Veröffentlichung des aktuellen Albums ist Radio LOHRO auf die erste Auskoppelung Süpürgesi Yoncadan aufmerksam geworden, die unsere Musikredaktion im April 2019 in die Heavy Rotation wählte. Im Mai waren dann Altın Gün in Rostock: Sängerin Merve und Percussionist Gino besuchten uns im Sendestudio, bevor sie am Abend ein Konzert im Peter Weiss Haus spielten. Hier bewegte die Band das Publikum zu authentischen Tanzstilen, während die ersten Reihen textsicher und glückselig mitsangen und die knapp 200 Besucher*innen eine kosmopolite Funkparty erlebten. Bei dem stetig steigenden, weltweiten Erfolg von Altın Gün war das wohl eine einmalige Gelegenheit in unserer Hansestadt. Die nächsten Konzerte mit überschaubarer Entfernung sind am 4. Dezember 2019 in Hamburg und am 5. Februar 2020 in Berlin geplant.

 

 

 
 
 
 
 
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Titel: Yolcu
Band: Altın Gün
Album: Gece (VÖ: 26. April 2019)
Label: Glitterbeat Records

Alternativ: Live-Versionen von Yolcu im Vondelbunker, Amsterdam sowie bei 3voor12 Radio

Die weiteren Titel unserer Heavy Rotation in der KW 30/19

Die LOHROtation, unsere akustische Präsentation aller fünf Titel, zum Nachhören:

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