Elend ohne Sorge

HÖRBOX | Rocken am Brocken 2018

Anfang August zog es drei unserer Musikredakteure erstmalig zum Rocken am Brocken Festival. In Elend bei Sorge konnten Alex, Christoph und Matthias einige der auftretenden Künstler interviewen. Die Beiträge sowie ein Festivalbericht von Alex stehen nun für euch bereit.

Rocken am Brocken 2018 – Festivaleingang, eigenes Foto /MP

Donnerstag

Unsere Premiere beim Rocken am Brocken startet auf dem Hof der Frieda 23. Schnell wird das Nötigste inkl. LOHRenzO ins Auto gepackt, die Heckklappe unserem Ziel gemäß verschönert und schon befinden wir uns on the road. Nach gut vier Stunden erblicken wir am Horizont die ersten Berge des Harzes. Unser Auto hat mit den ungewohnten Berganstiegen ein wenig zu kämpfen, bringt uns letztlich aber sicher zum Festivalgelände nach Elend bei Sorge.

LOHRO-Festivalreporter Alex, Matthias und Christoph – Eigenes Foto /MP

Der Zeltplatz ist zum Zeitpunkt unserer Ankunft schon gut gefüllt, hält aber zum Glück noch ein schniekes Plätzchen für unsere drei Zelte plus Pavillon bereit. Aufgrund der hohen Waldbrandgefahr hat der Veranstalter Raucherinseln und einen zentralen Grillplatz eingerichtet. Wir bauen erstmal entspannt auf und treffen direkt auf eine Gruppe Rostocker, von denen einer, wie auch Christoph, das IFC-Aufstiegsshirt trägt. Kurz nach 19 Uhr betreten wir erstmals das Bühnengelände. Den Zauberwald und die Hexenhütte lassen wir zunächst links bzw. rechts liegen, da sich auf der Hauptbühne aka Brockenbühne eine Band ankündigt, die wir uns nicht entgehen lassen wollen. Als Ü30er und Indie-Enthusiasten gehören We Are Scientists für uns selbstverständlich zum Pflichtprogramm. Die New Yorker spielen sich quer durch ihre Diskographie und erzeugen mit Songs wie „Buckle“ oder dem Überhit „Nobody Move, Nobody Get Hurt“ erste kleine Moshpits. Bei immer noch hochsommerlichen Temperaturen sorgen die links und rechts der Bühne aufgestellten Wasserspritzen für kurze Abkühlung. Nach diesem mehr als gelungenen Auftakt cornern wir erstmal auf dem Zeltplatz ab. Kurz vor Mitternacht zieht es uns, wie ganz viele andere Menschen auch, zurück zur Brockenbühne. Der Grund ist der Headliner des Abends: Von Wegen Lisbeth! Obwohl erst ein Album veröffentlicht, haben sich VWL bereits zu einer festen Indie-Größe entwickelt und spielen fast nur Hits. Und auch der neue Song (irgendwas mit Westkreuz) überzeugt uns sofort. Mit einem Grinsen auf den Lippen aufgrund des gerade Erlebten statten wir dem Zauberwald einen ersten Besuch ab. Der Elektrofloor des Festivals ist zu diesem Zeitpunkt prall gefüllt. Kein Wunder, steht doch gerade kein Geringerer als die Berliner DJ-Größe K-Paul an den Decks. Sein inflationär eingesetztes Victory-Zeichen bringt uns abermals zum Schmunzeln. Danach schlendern wir weiter zum Jägerzirkus, wo der Dresdner Plattendreher dj !mauf (seit 2012 dabei) einen Indie-Kracher nach dem anderen raushaut. Kurz wird auch noch die Hexenhütte abgecheckt, ehe wir uns müde und zufrieden in unsere Schlafsäcke kuscheln.

Freitag

Der Freitag beginnt mit der Erkenntnis, dass man spätestens halb zehn aus seinem Zelt kriechen sollte, weil die Sonne dann auf das Dach knallt und den Raum darunter binnen Minuten in eine Sauna verwandelt. Dementsprechend durchgeschwitzt sind wir uns schnell einig, dass eine Dusche jetzt genau das Richtige wäre. Zum Glück gibt es das Waldbad Elend, das man entweder mit einem 15-minütigen Fußmarsch oder, wie in unserem Fall, einer 5-minütigen Autofahrt schnell erreichen kann. Das wunderschön in ein Tal eingebettete Waldbad ist an diesem Wochenende so voll wie wahrscheinlich das ganze Jahr nicht. Nach der überfälligen Grundreinigung testen wir noch die Wasserrutsche und tanken auf der grünen Wiese noch etwas Sonne.

Zurück auf dem Festivalgelände stellen wir fest, dass die Berliner Band SIND bereits angefangen hat. Wir sind kurz davor, SIND sausen zu lassen, entschließen uns dann aber, doch noch schnell hinzugehen. Wir könnten es ja später bereuen. Eine weise Entscheidung. Die Jungs sind bestens aufgelegt und tauschen untereinander ganz viele Zärtlichkeiten aus. Diese Liebe überträgt sich auf das Publikum und erzeugt eine entspannt-euphorische Atmosphäre. Neben ihrem Hit „Alpina Weiss“ geben SIND einige weitere vielversprechende Songs zum Besten, ehe zum Abschluss noch ein Eros Ramazzotti-Cover folgt. Wir sind uns einig, dass man von dieser Band sicher noch viel hören wird. Christoph gelingt es später im Backstage, Sänger Arne für ein spontanes Interview zu begeistern.

An diesem Freitag findet man uns vermehrt vor der kleinen Zeltbühne, auch Jägerzirkus genannt. Rapper Juse Ju beweist mit Leichtigkeit, dass auch Hip Hop auf einem Indie/Rock/Punk/Electro-Festival gut funktionieren kann. Und Love A halten dank Sänger und Rampensau Jörkk Mechenbier die Moshpit-Dichte hoch. Die Position des Headliners auf der Brockenbühne geht an diesem Abend etwas überraschend an Zugezogen Maskulin. Obwohl Testo und grim104 wie gewohnt abliefern, wird die Crowd von Song zu Song kleiner, so dass die abschließende Wall of Death ein wenig verpufft. Für Christoph geht es danach noch mit der aufstrebenden Münchner Alternative-Band Blackout Problems im Jägerzirkus weiter. Am frühen Abend plauderte er bereits mit den Mitgliedern Mario und Moritz über Festivalkultur und das aktuelle Album KAOS.

Samstag

Der Samstag beginnt ganz ähnlich wie der Freitag. Der Wunsch nach einer ausgiebigen Erfrischung zieht uns erneut ins Waldbad. Diesmal etwas früher, weil wir heute tatsächlich auch mal richtig was zu tun haben. Wir wollen nicht von Arbeit sprechen, zu groß ist die Vorfreude auf die anstehenden Interviews. Den Anfang machen Francesco Wilking und Moritz Krämer von Die Höchste Eisenbahn. Beide sind bester Laune und so entsteht ein kurzweiliges Gespräch, das auch gerne mal abschweift.

Alex im Interview mit Francesco und Moritz von Die Höchste Eisenbahn auf dem Rocken am Brocken Festival 2018 – Eigenes Foto /MP

Zurück auf dem Zeltplatz stärken wir uns erstmal mit Baguette und Bier. Während Matthias und ich noch an den kommenden Interviews feilen, verabschiedet sich Christoph so gegen 15 Uhr in Richtung Jägerzirkus, wo die Newcomer von Pabst aufspielen. Mit ihrem noisig-verzerrten Gitarrensound treffen sie genau seinen Geschmack. Er wird später von seinem persönlichen Festival-Highlight sprechen. Auch Pabst trifft Christoph nach ihrem Konzert zu einem kurzfristig vereinbarten Interview.

Pabst aus Berlin im Interview mit Christoph auf dem Rocken am Brocken Festival 2018. Eigenes Foto /CL

Bevor unsere Lieblinge von Die Höchste Eisenbahn die Bühne betreten, steht noch das Interview mit Faber an. Matthias und ich treffen im Backstage auf einen Künstler, der gerade erst aus dem Bus gefallen und noch etwas müde von der langen Anreise ist. Das Interview verläuft trotzdem oder gerade deswegen sehr entspannt. Auf das gemeinsame Foto für die Annalen verzichtet Faber jedoch gerne.

FABER auf dem Rocken am Brocken Festival 2018, eigenes Foto /MP

Wie erwartet wird das Konzert von Die Höchste Eisenbahn eines unserer gemeinsamen Highlights. Wie kaum eine andere Band holen sie uns musikalisch, textlich und nicht zuletzt in puncto Bühnenpräsenz ab. Zudem bleiben zwei witzige Ansagen Francescos in Erinnerung. Zum einen lässt er es sich nicht nehmen, die anwesenden Mitarbeiter der Security zu feiern. Auch wir haben selten dermaßen entspannte Sekus erlebt, die phasenweise Arm in Arm schunkeln und das Publikum zum Tanzen und Mitsingen animieren. Zum anderen erwähnt Francesco ihren mitgereisten Lichtmann, der aufgrund der frühen Spielzeit (17:15-18:15) nun quasi arbeitslos ist und stattdessen die bereits erwähnten Wasserspritzen bedienen darf. Das vereinbarte Codewort lautet „Wasser!“ und wird fortan zur Freude aller oft gerufen.

Direkt im Anschluss stratzt Christoph einmal mehr hinter die Bühne, wo er Tobias Bamborschke, Sänger der Band Isolation Berlin, zum Interview trifft. Das Gespräch liefert u.a. intime Einblicke in sein Songwriting.

Matthias und ich schauen uns noch kurz den inzwischen herausgeputzten Faber an, ehe wir für das finale Interview auf RAZZ-Gitarrist Christian Knippen treffen. Auch dieses Gespräch macht beiden Seiten viel Freude. Christian verabschiedet sich mit den Worten „Bestes Interview dieses Jahr!“, was uns überaus glücklich von dannen ziehen lässt.

Zum Konzert von Isolation Berlin sind wir dann wieder vereint und stellen fest, dass der im Interview doch eher schüchtern wirkende Sänger Tobias auf der Bühne mal so richtig abgeht. Ein paar Getränke und ein Handbrot (lecki!) später sind wir bereit für den Auftritt von RAZZ. Die Emsländer Indie-Kapelle hat sich in den letzten Jahren quasi zur Haus-Band des Rocken am Brocken entwickelt und spielt bereits zum sechsten Mal in Folge auf. Ihr wunderbares Set wird kurz von einem erfolgreichen Heiratsantrag unterbrochen. Auch wir sagen „Ja!“ – zu RAZZ.

Rocken am Brocken So viel Liebe ? ? @pierre_laporteee

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Schon etwas müde geben wir uns noch kurz die zweite Haus-Band Schluck den Druck und wagen uns abschließend nochmal in die Hexenhütte, wo heute zu Indie und Blues Rock getanzt wird.

Sonntag

Am Tag der Abreise gönnen wir uns ein letztes Mal lecker Brioche mit Marmelade zum Frühstück. Das Abbauen und Zusammenpacken geht dann recht zügig und kurz darauf befinden wir uns wieder auf der Straße, die uns zurück nach Rostock führt. Mit im Gepäck ganz viele Eindrücke, die sicher schon bald zu schönen Erinnerungen werden.

Und dabei haben wir längst nicht alles mitgenommen, was das Rocken am Brocken zu bieten hatte. Z.B. das Volleyball- und Fußballturnier im bzw. am Waldbad bekamen wir lediglich am Rande mit. Zudem gab es ein vielfältiges Rahmenprogramm. Beim Radioballett konnte man zum Performancekünstler werden und beim Yoga neue Energie tanken. Wer sich festivaltauglich verschönern lassen wollte, konnte das mit Henna, Dreadlocks und Schminkzauber tun. An dieser Stelle sei auch nochmal die Hexenhütte erwähnt, die wir nur nach Sonnenuntergang besucht haben, die jedoch tagsüber auch mit reichlich Indie-Bands, Singer/Songwritern und Poetry-Slammern aufwarten konnte.

Fazit: Wir haben unser erstes Rocken am Brocken mehr als genossen und es gibt ganz viele Gründe, auch im nächsten Jahr wieder nach Elend bei Sorge aufzubrechen.

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